Die Bedeutung der Sprache im Kulturwandel zur "Agilen Organisation"

Die Agile Denkweise ist im Zuge eines organisatorischen Wandels aus folgenden Gründen anspruchsvoll:

  • Es gibt alte Gewohnheiten im Denken und Tuen, die in der Vergangenheit größtenteils erfolgreich waren.
    → Das Gefühl stellt sich ein: "Warum sollte ich dies ändern?"
  • Was darüber hinaus noch problematischer ist, ist: Über welche Gewohnheiten besteht überhaupt ein Bewusstsein.
    → Dies führt dazu, dass es zwar eine Bereitschaft zu Änderungen gibt, aber viele alte Verhaltensweisen aufgrund fehlenden Bewusstseins kontraproduktiv durchschlagen und unvermeidlich zu Konflikten und Enttäuschungen führen.
  • Die Agile Denkweise ist eine Denkweise und kein _Vorgang_, den man abarbeiten kann.
    → Es wird unterschätzt, welches Menschenbild der agilen Denkweise zugrunde liegt, und wie sehr es um einen kulturellen Wandel und nicht in erster Linie um die Einführung von Strukturen und Prozessen geht.
  • Zwischen Theorie und Praxis besteht oftmals eine große Diskrepanz.
    → Um die agile Denkweise tatsächlich zu verstehen, ist es unerlässlich praktische Erfahrungen im Denken, Tuen, Vertrauen und Fühlen zu sammeln. Und dazu braucht es neben der Bereitschaft jedes einzelnen sich darauf einzulassen unabdingbar einen zeitlichen und strukturellen Rahmen.
  • Ein kultureller Wandel führt immer dazu, dass die Wunschkultur zu einigen Menschen besser passt als zu anderen und sich das zwischenmenschliche Gefüge zwischen alter und neuer Kultur mehr oder weniger stark unterscheidet.
    → Es ist damit zu rechnen, dass es auf der einen Seite Konflikte massiver Art geben kann und auf der anderen aber auch eine inspirierende Anziehungskraft für neue/andere Charaktere ausgeübt wird.
  • Ein Wandel im Denken im Rahmen eines Kulturwandels führt in vielen Fällen zum Verlust von ursprünglichen Zukunfts- und Karrierevorstellungen und eröffnet neue Chancen eben dieser.
    → Zu diesem Wandel ist nicht jeder bereit und es kann zu einer großen Verunsicherung kommen.

Dies sind nur einige Aspekte der Auswirkungen eines geplanten Kulturwandels.

Umso schwieriger wird dieses Thema, wenn neue Begriffe benutzt, aber nicht eingeführt werden. So werden sie häufig nicht von allen verstanden und geteilt oder schlimmstenfalls missverstanden. Es besteht auch die Gefahr, dass ein Vergleich zwischen der alten und der neuen Welt zu unzulässigen Vereinfachungen führt, da das Verständnis und die Erfahrung fehlt.

  • Was ist der Unterschied zwischen "Managern" und "Ownern"?
  • Was ist ein "Produkt", ein "Produktinkrement" und ein "MVP" im Unterschied zu einem Projekt?
  • Was genau ist eine "Iteration" und gibt es einen Unterschied zu einem "Sprint"?
  • Was bedeutet eigentlich "Agile Mindset" und hat man das automatisch, wenn man "Scrum" praktiziert?
  • Muss man "Scrum", "Kanban" oder eine andere Vorgehensweise praktizieren, um agil zu sein?
  • Was ist der Unterschied zwischen "Reviews" und "Schulterblicken"?
  • Und was hat es mit "Kanban", "Backlogs", "Boards", "Design Thinking", "Retrospektiven", usw. usf. auf sich?
  • Was sind eigentlich "Story Points" und was ist der Unterschied zu einer Personentage-Aufwandschätzung? Und was hat das mit "Velocity", "Burndown" und "Roadmap" zu tun?
  • Wozu gibt es "User Stories" oder "Job Stories" und was ist der Unterschied zu Fachkonzepten, Spezifikationsdokumenten und Anforderungskatalogen?
  • Wo ist der Unterschied zwischen "Human-Ressourcen" und "agilen Team-Mitgliedern"?
  • Warum kann ein "Product Owner" nicht gleichzeitig "Scrum Master" sein und was ist überhaupt der Unterschied zu einem "Projektmanager"?
  • Was ist ein "crossfunktionales Entwicklungs-Team" im Unterschied zu einem "interdisziplinären Projekt-Team" oder "Experten-Team"?
  • Was ist ein "Wasserfallvorgehen" und was bedeutet "Water Scrum"? Warum ist "Water-Scrum" keine optimale Vorgehensweise, um die agile Denkweise zu unterstützen?
  • Muss der Kunde "agil" sein, um ein "agiles Projekt" umsetzen zu können? Und was bedeutet überhaupt "agiler Kunde"?
  • ...

Mit diesen und ähnlichen Fragen wird deutlich, dass Menschen aus der "alten Welt" mit unheimlich vielen neuen und fremdartigen Begriffen konfrontiert werden, die einen schleierhaften Zusammenhang zu haben scheinen.

Ein erster Schritt für ein besseres Verständnis ist es, eine verständliche Sprache zu sprechen. Dem Verständnis trägt in einem deutschsprachigen Unternehmen bei, deutsche Begriffe zu verwenden. Und diese Begriffe sind die wichtigste Kommunikationsgrundlage zur Entwicklung eines gemeinsamen Sprachverständnisses und damit die Voraussetzung den angestrebten Wandel zu begreifen und umsetzen zu können.

Daher lautet meine Empfehlung: Sprecht deutsch! Hört einander zu! Sprecht miteinander! Habt füreinander Verständnis! Stellt Fragen! Helft einander! Einigt Euch!

Gerade im Agenturumfeld sind wir seit der Globalisierung in einem Marketing-/Sales-Sprech unterwegs, welches bei vielen Leuten - beabsichtigt oder unbeabsichtigt - ein vernebeltes Bild abgibt. Oben drauf kommt ein Fachvokabular aus den verschiedensten Disziplinen und aus der Organisationswelt der Software-Entwickler. Wer mit diesen elitären Vernebelungen erwartet einen Wandel im Denken und Tuen jedes Einzelnen einer heterogenen Organisation zu bewirken, ist auf dem Holzweg. Im Gegenteil: Es wird Unfrieden und Verunsicherung gestiftet und für viele Kollegen stellt sich täglich die Sinnfrage des angestrebten Wandels.