Vom Log zum Blog und vom Skript zum CMS

Mir fiel auf, dass ich selbst die Wurzeln der heute üblichen Blog- und Content-Management-System-Systeme mitgemacht hatte. Es ist schon erstaunlich, wie die Wahrnehmung von Entwicklungen erst eintritt, wenn man aus irgend einem Grund zurück blickt …

Mitte der 90er Jahre übernahm ich die Pflege und Gestaltung der Webseiten einiger Organisationen in denen ich tätig war. Dies waren u.a. das campusweite Informationssystem (CWIS – mit Wurzeln im Gopherspace) der Universität Düsseldorf, die Fachschaftsratsseiten der Düsseldorfer Informationswissenschaft und die Bandhomepage von Pub-Fiction.

Jede dieser Websites war davon geprägt, dass sie ständig aktualisiert wurden. Aktualisierungen außerhalb der Startseite wurden nur wahrgenommen, wenn man die Seiten durchgeklickt hatte. Ich hatte deshalb eine Metaebene der jeweiligen Website geschaffen, in der u.a. auch die Aktualisierungen unabhängig vom Ort und der Art der Aktualisierung umgekehrt-chronologisch aufgelistet wurden. Diese Liste nannte ich Log-Tabelle.

Im CWIS-Projekt wurde diese Tabelle automatisch über selbsgeschriebene Skripte erzeugt. Auch die Inhalte wurden über Skripte eingebunden. Es war eine Art CMS als Prozessor für HTML-Seiten. Dies geschah auf Textdateibasis offline und nicht online auf Datenbankbasis. Diese Textdateien bot ich auch als differenzielle Archiv-Dateien zum Download an. Hätte ich dieses System weiter ausgebaut, wäre eine Art Weblog- bzw. Blog-System daraus geworden, bei dem man Inhalte auf seinem Computer gepflegt und online gestellt hätte.

So sind die Wurzeln von Blog-Systemen an diesem Beispiel gut zu erkennen. Die Idee, die Log-Übersicht als Startseite zu definieren und auszuarbeiten, ist mir damals allerdings noch nicht gekommen.

Ich bin durch die Anschläge des 11. September 2001 auf die Schlagzeilen-Seite von Spiegel-Online aufmerksam geworden. Damals waren die Server sehr überlastet und der Hunger auf Neuigkeiten war groß. Da die Schlagzeilen-Seite relativ wenig Bandbreite erforderte und zudem die Neuigkeiten umgekehrt-chronologisch anzeigte, war es die ideale Einstiegsseite. Auch dies zeigt, wie diese Art der Dokumentation dem Medium Web gerecht wird.

Schon fantastisch zu sehen, wie ein Perspektivwechsel zu einer neuen Dynamik namens Web-2.0 führt. Das was früher mehr oder weniger nach klassischen Regeln der Dokumentation eher aus der Perspektive des Printbereichs her umgesetzt wurde, konnte dank des Perspektivwechsels zur Chronologie dem Medium „Web“ immer gerechter werden.

Heutzutage ist die umgekehrt-chronologische Präsentation oft die Einstiegsseite und die Kategorie- und Schlagwort-Übersicht neben der Suchfunktion sind die zusätzlichen Recherchewerkzeuge. Ein Trend, den ich für einen Fortschritt halte.