Elena, Julia, Mandelbrot und Fraktale als Kunst

1991 zahlte sich der Informatikunterricht aus. Da lernte ich die spannende Welt der Komplexe Zahlen, die Mandelbrot-Menge und Julia-Mengen mathematisch kennen. Wir programmierten mehrere Mandelbrot-/Juliamengen-Plotter. Zwei Schüler programmierten sogar einen Plotter, der über zwei Atari-ST’s, welche mittels MIDI-Interface vernetzt waren, Fraktale im Multicomputing-Betrieb zeichnete. Mein Amiga-Computer-Programm war das einzige, welches farbige Ergebnisse lieferte und in dem man mit der Maussteuerung in die Fraktale zoomen konnte. Zur Beschleunigung spiegelte es vorhandene Symetrien. Alle restlichen Programme liefen auf den langsamen und monochromen IBM-PC’s der Schule und wurden nur über Texteingaben gesteuert.

Fraktale faszinierten mich schon seit Mitte der 80er Jahre. Zu dieser Zeit gab es in Deutschland einen gewissen Hype um das Thema. Ungewöhnlich daran war, dass ein mathematisches Thema solche Popularität erreichte. Doch die Bilder und das Wissen, dass es sich um mathematische Formeln handelt, reicht aus, um die Faszination auszulösen. Diese Fraktale als Teil der Chaostheorie regen geradezu dazu an, darüber zu philosophieren und die Frage nach einem möglichen Beitrag zur Weltformel zu stellen.

Die Formen von Fraktalen erinnern sehr an organische Formen aus der Natur. Es existiert eine Symetrie und eine Selbstähnlichkeit der Grundform. Das allein ist schon faszinierend genug. Doch denkt man nun daran, dass es in diesen Fraktalen unendlich viele Variationen dieser Formen gibt, so wird es fast schon „göttlich“ oder sehr philosophisch.

Es gibt zu diesem Thema viele faszinierend-schöne Hochglanzbildbände (z.B.: The Beauty of Fractals. von Heinz-Otto Peitgen). In der Popkultur waren fraktale Grafiken gerade zur Zeit des Hypes ebenfalls verteten. Neben Chaostheoretikern, Mathematikern und Philosophen beschäftigten sich auch Künstler mit diesem Thema. Es stellt sich nun die Frage, ob es Kunst ist, ein Fraktal vom Computer berechnen zu lassen, einzufärben und auszudrucken. Letztlich kann das theoretisch jeder ohne viel Wissen und Können mit der entsprechenden Software selbst in unendlichen Variationen.

Wer einmal seine Selbstversuche mit den Bildern von Elena Novaretti vergleicht, muß feststellen, dass es tatsächlich mit Können zu tun hat, einen Bildausschnitt zu wählen und entsprechend einzufärben. Wenn der Künstler dies mit Passion, Fantasie und Vorstellungskraft macht und zudem auch noch die Software jahrelang von Grund auf selbst entwickelt, welche ihrerseits das manifestierte Wissen des Programmierers demonstriert, was vor allem durch innovative und einzigartige Funktionen zu erkennen ist, kann – ja, muß – man wahrhaftig von Kunst sprechen!

Ich kannte die Galerie von Elena schon seit ihrem Bestehen. Kürzlich interviewte das Total Amiga Magazine Elena. Dort erfährt der Leser Hintergründe über ihre Passion mitsamt mathematischer Einführung in das Thema. Die mathematischen Aspekte führen für Laien etwas sehr ins Detail, können aber dank der Zwischenüberschriften gut übersprungen werden. Ich kann jedem, der sich für das Thema allgemein oder mathematisch interessiert, das Interview wärmstens empfehlen.

Übrigens fiel der Fraktal-Hype Mitte der 80er Jahre zusammen mit der Popularität des Amiga-Computers, der gerade wegen seiner grafischen und multimedialen Eigenschaften aus der Masse der restlichen Personal Computer herausstach und dafür sehr bekannt war. So ist es kein Zufall, dass mehrere sehr ausgereifte Mandelbrot-/Juliamengen-Plotter herauskamen, die farbenprächtige Bilder auch in 3D zeichneten.